Es ist der 25. Dezember. Familien auf der ganzen Welt feiern Weihnachten. Anne und Jan nicht. Sie verbringen Weihnachten mit ihrer kleinen Tochter in der Notaufnahme. Sie sind in großer Sorge: Emilia trinkt kaum noch und ist sehr schwach. „Wir haben uns ständig ermutigt: Lieber einmal über Weihnachten im Krankenhaus als nie wieder Weihnachten mit Emilia.“
von Cornelia Schimmel
Emilia ist ein Wunschkind. Anne und Jan haben sich über die Schwangerschaft sehr gefreut. Als es im letzten Drittel der Schwangerschaft hieß, dass „etwas nicht stimmt“, war plötzlich alles anders.
Fragen ohne Antworten
„Wir waren geschockt und gleichzeitig verunsichert. Es gab keine Anzeichen und wir hatten uns auf ein gesundes Kind eingestellt. Dass ihre Gesundheit gefährdet sein könnte, darüber haben wir gar nicht nachgedacht“, erzählt Anne. Die werdenden Eltern wussten nicht, was auf sie zukommen würde und das machte ihnen Angst. Tausend Fragen geisterten in ihren Köpfen: ist unser Kind lebensfähig? Wie wird ihre Zukunft aussehen? Niemand konnte sie ihnen beantworten.
Aufgeschoben ist nicht aufgehoben
Auch mehrere Besuche bei der Feindiagnostik brachten ihnen keine Klarheit. Die Ärzte schlossen nach und nach Krankheiten aus, aber den Grund, warum es dem Fötus schlecht ging, fanden sie nicht. „Wir haben uns – zusammen mit den Ärzten – entschieden, weitere Diagnostiken erst durchzuführen, wenn die Kleine geboren ist.“ Bis hierhin hatte die Suche schon genügend Energie und Kraft gekostet.
Zur Sicherheit beschlossen Anne, Jan und die Ärzte, ihre Tochter in Köln-Holweide zur Welt zu bringen. Dort gibt es eine Intensivstation für Neugeborene, die im Fall der Fälle auf Emilia vorbereitet war.
Start mit Hindernissen
Emilia ist ein Sonntagskind – ein „Glückskind“. Doch ihr Start ins Leben war nicht unbeschwert, wie Eltern es ihren Kindern wünschen. Kaum geboren, wurde sie schon auf die Intensivstation zur Beobachtung verlegt. „Ich habe meine Kleine dort besucht und wir haben unsere erste gemeinsame Zeit sehr genossen“, erinnert sich Anne. „Sie war so zart und ich war einfach froh, dass sie jetzt da ist.“
Verlegung in die Kinderklinik
Vier Tage später wurde Emilia in die Kinderklinik auf der Amsterdamer Straße in Köln verlegt. Hier würde sie den ersten Lebensmonat verbringen. Anne wohnte in dieser Zeit im Ronald-McDonald-Haus, um immer in der Nähe ihrer kleinen Tochter zu sein.
Die Suche beginnt
Jetzt galt es mit Hochdruck herauszufinden, was Emilia fehlte.
Es standen mehrere „Verdachtsfälle“ im Raum. Eine Kinderkardiologin beschäftigte sich intensiv mit Emilias Herzen. Und nach einigen Tagen äußerte sie zum ersten Mal vorsichtig eine Diagnose: HOCM (hypertrophisch obstruktive Cardiomyopathie), ein seltener angeborener Herzfehler.
Ein Lichtblick! Dank der Diagnose angeborener Herzfehler konnte endlich reagiert werden. Emilia bekam jetzt Medikamente und ihre Eltern atmeten zaghaft durch, denn ihr Kind würde überleben. Emilia wurde unverzüglich an ein spezialisiertes Kinderherzzentrum überwiesen.
Starke Eltern haben starke Kinder
Für Anne und Jan nahm das Gedankenkarussell allerdings erst richtig Fahrt auf. Wie schlimm steht es wirklich um Emilia? Sie sprachen viel miteinander, informierten sich bestmöglich über angeborene Herzfehler, wägten Möglichkeiten ab. „Wir hatten eine sorgenvolle und schwere Zeit. Für unsere Kleine haben wir das durchgestanden – irgendwie.“
Weihnachten in Alarmbereitschaft
Nach vier langen Wochen konnte die junge Familie zum ersten Mal die Klinik verlassen. Doch es war ein kurzes Glück. Der Kinderkardiologe schlug am 22. Dezember Alarm. Sie verbrachten Heiligabend mit der beängstigenden Warnung des Arztes im Ohr ‚Bitte fahren Sie sofort ins Krankenhaus, sobald Ihnen etwas komisch vorkommt‘. Ein entspanntes Weihnachtsfest sieht anders aus …
Der erste Weihnachtsfeiertag sollte sich in das Familiengedächtnis einprägen wie kaum ein anderer Tag. Anne und Jan fuhren mit Emilia in die Kinderklinik, da Emilia kaum noch trank.
„Wir haben uns ständig ermutigt: Lieber einmal über Weihnachten im Krankenhaus als nie wieder Weihnachten mit Emilia.“
Nach anderthalb Wochen in der Klinik wurde Emilias Herz-OP eingeleitet. Die OP verlief zwar gut, dennoch reagierte Emilias kleiner Körper mit Rückschlägen auf den großen Eingriff.
Emilias Odyssee
„Man brauchte über eine Woche, um sie zu stabilisieren. Drei Tage nach der Operation bekam sie Kammerflimmern und musste reanimiert werden“, die Angst um Emilia nahm einfach kein Ende. Die Versuche, sie zu stabilisieren und von der Beatmungsmaschine zu nehmen, scheiterten mehrere Male. Ihre kleine Lunge war der großen Aufgabe, selbstständig zu funktionieren, noch nicht gewachsen. Emilias Leben hing am seidenen Faden – sie musste mehrere Male wiederbelebt werden. Doch die Ärztinnen und Ärzte gaben die Kleine nicht auf und mit viel Feingefühl, Ausdauer und Mut schafften sie es, Emilias Lunge zum Atmen zu bringen. Sie hatten damit die Langzeitbeatmung durch ein Tracheostoma abgewendet.
Fast zwei Monate später kam endlich der Tag, an dem Emilia auf die Normalstation verlegt wurde.
Abschied aus der Klinik
„Es mag sich für Außenstehende komisch anhören, aber nach so langer Zeit fiel uns der Abschied aus der Kinderklinik schwer.“ Anne und Jan befanden sich monatelang in einer Extremsituation und in dauerhafter Angst um ihr herzkrankes Kind. Gleichzeitig wurde ihnen in der Klinik geholfen – ihr Kind lebt, dank der unermüdlichen Arbeit hier. „Wir haben Emilias halbes Leben dort verbracht und viele Menschen und Schicksale kennengelernt. Gleichzeitig war die Freude auf zu Hause sehr groß. Endlich konnten wir das Leben mit Emilia Daheim verbringen.“
Emilia ist ein Sonntagskind. Ein Sonnenschein. Sie hat den größten Kampf gewonnen und wird sich später nicht einmal daran erinnern. „Sie ist ein sehr aufgewecktes, willensstarkes, empathisches Mädchen. Sie ist eine Kämpferin wie alle Kinder, die einen schweren Start ins Leben haben. Wir bewundern sie einfach nur.“
Emilias Herz ist nicht geheilt, aber sie wird lernen, damit zu leben. Medikamente und regelmäßige Kontrolluntersuchungen des Herzens werden sie noch lange begleiten. „Klinisch geht es ihr sehr gut, zur Überraschung aller Beteiligten. Sie zeigt es einfach allen“, Anne und Jan sind sehr stolz auf ihre kleine Kämpferin.
Dieses Jahr an Weihnachten wird Emilia zu Hause sein. Sie ist seit Kurzem eine stolze große Schwester. Dieses Jahr werden die beiden Schwestern mit leuchtenden Augen unter dem Weihnachtsbaum sitzen und den besonderen Zauber des Festes kennenlernen. Dieses Jahr gibt es keine Schmerzen, keine Spritzen und keine Sorgen. Nur Liebe, Dankbarkeit und schöne, bleibende Erinnerungen.
Wir denken ganz besonders an alle Herzfamilien, die dieses Jahr Weihnachten in der Klinik verbringen müssen. Mit Emilias Geschichte wollen wir euch Mut und Zuversicht schenken. Ihr seid nicht alleine und es gibt Hoffnung auf bessere Zeiten.
Frohe Weihnachten wünscht das Team kinderherzen
Ihre Weihnachtsspende hilft herzkranken Kinder wie Emilia.
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Fotos: privat und @taschaslichtgeschichten